Dr. Mirko Wolfgang Brill

Ursprungsprüfung nach dem Freihandelsabkommen mit Großbritannien

Zum 1.1.2021 trat das „Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits“ („Trade and Cooperation Agreement“, kurz TCA) in Kraft. Nachdem in einem früheren Newsletter kurz der allgemeine Regelungsbereich des Abkommens dargestellt und auf die Ursprungsregelungen verwiesen wurde soll sich nunmehr in diesem Newsletter dem Thema „Ursprungseigenschaft“ angenommen werden.

Wesentlicher Gegenstand des Freihandelsabkommens ist, dass Zölle auf Waren mit Ursprung in der jeweils anderen Vertragspartei verboten sind, vgl. Art. GOODS.5 des TCA. Die Regelungen zur Ursprungseigenschaft ergeben sich aus Teil 2 Kapitel 2 des Abkommen und sind als Art. ORIG.1 bis Art. ORIG.28 des Abkommens bezeichnet. Wichtig ist, dass eine Ware noch nicht als Ursprungsware aus der anderen Vertragspartei gilt, wenn sie aus dieser eingeführt wird. Wäre das so, wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Anmerkung: So könnte etwa der Chinesische Exporteur nach dem etwaigen Inkrafttreten eines Freihandelsabkommens zwischen China und Großbritannien Ware über das Vereinigte Königreich zollfrei in die EU einführen mit der Behauptung, die Ware stamme aus dem Vereinigten Königreich, weil sie z.B. in einem britischen Hafen verladen wurde. Das kann nicht gewollt sein.

Das Freihandelsabkommen knüpft an die Ursprungseigenschaft – wie jedes Präferenzabkommen – vielmehr viel höhere Voraussetzungen. So wird ein Umstand oder die Erfüllung einer Behandlung von Waren verlangt, die diese Waren als ihren Ursprung in Großbritannien habend“ qualifizieren bzw . eine solche Qualifikation rechtfertigen. Am eindeutigsten ist das erkennbar an Waren, die auf britischem Boden gewachsen oder in UK gezeugt wurden: So ist die in UK geerntete Kartoffel ebenso wie das in Großbritannien geborene Kalb oder der dort abgebaute Bodenschatz eine originär britische Ware.

Bei anderen in unserer arbeitsteiligen Welt geschaffenen Waren ist das hingegen weniger eindeutig: Das in Großbritannien gefertigte Auto entsteht aus Komponenten die von überall auf der Welt stammen. Ein Auto als originär britisch zu beurteilen bedarf daher der Erfüllung weiterer Anforderungen, regelmäßiger relevanter Bearbeitungsschritte (sog. Ursprungsbegründende Behandlungen). Diese werden im Freihandelsabkommen zwischen der EU und UK vorgesehen, hier insbesondere im Anhang ORIG-1 zum TCA.

Es gibt hier im Wesentlichen drei Kriterien, die eine Ware als eine Ursprungsware Großbritanniens oder der EU erscheinen lassen:

(1)        Änderung der zolltariflichen Einreihung durch Produktion in einer Vertragspartei (EU oder UK).

(2)        Spezifisches (ausdrücklich im Anhang genanntes) Herstellungsverfahren.

(3)        Höchstwert (Verhältnis Wert Enderzeugnis zu Wert Vormaterialien ohne Ursprung in EU/UK).

WAS IST DAMIT GEMEINT:

(1)        Wird durch eine Behandlung in einem der Vertragsparteien eine Ware hergestellt, die anders zolltariflich einzureihen ist als die Vorprodukte, führt das zum Vorliegen einer Ursprungsware. Beispiel: In Großbritannien werden die fertiggestellten Bestandteile einer Puppe aus chinesischer Produktion zusammengebaut. Die Bestandteile und die fertige Puppe werden zolltariflich gleich eingereiht. D.h. der bloße Zusammenbau führt nicht zu einer Ursprungsware. Werden in UK chinesische Rohstoffe für eine Herstellung einer Puppe eingeführt und wird die Puppe in UK hergestellt liegt eine UK-Ursprungsware vor, da es zu einer anderen tariflichen Einreihung von Rohstoffen und Puppe kommt.

(2)        Der Anhang zum TCA enthält z.B. für Stoffe ein bestimmtes Färbe- oder Webverfahren. Durch das in UK durchgeführte Färbeverfahren der unbehandelt in UK eingeführten chinesischen Stoffe werden diese Stoffe zu UK-Ursprungswaren.

(3)        Der Endpreis des Erzeugnisses des britischen Herstellers darf nur zu 30 % aus Vormaterialien bestehen, die keine Ursprungseigenschaft in UK aufweisen. Hierdurch wird letztlich eine Höchstmenge „fremder“ Waren ohne Ursprungseigenschaft in UK vorgegeben. Trotz dieser „fremden“ Bestandteile gilt die Ware noch als Ursprungsware.

FAZIT: Die Ursprungsregelungen sind regelmäßig Komplex in ihrer Anwendung, sie stellen aber den entscheidenden Teil der zollrechtlichen Regelungen des TCA dar. Mit ihnen muss sich also unbedingt beschäftigt werden.

In späteren Newslettern wird sich mit weiteren Einzelheiten der Ursprungsregelungen sowie weiterer Inhalte des TCA befasst.

Anwalt für Zollrecht