Johannes Hoffmann

EuGH-Vorlage: Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer bei Einfuhr von Gegenständen zu Wartungs- und Reparaturarbeiten

Der BFH hat in dem Verfahren VII R 17/22 mit Beschluss vom 18.2.2025 dem EuGH verschiedene für das Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerrecht bedeutende Fragen betreffend die Einfuhr von Gegenständen ausschließlich zu Wartungs- oder Reparaturarbeiten vorgelegt.

Was war passiert?

Der in der Schweiz wohnende Kläger verbrachte sein in der Schweiz zugelassenes Segelboot auf einem Bootsanhänger mit seinem Auto nach Deutschland, ohne hierfür an der Grenze eine Zollabfertigung durchführen zu lassen. Zweck des Grenzübertritts war die Ausführung von fälligen Service- und Wartungsarbeiten an dem Außenbordmotor des Segelboots. Bis zur späteren Ausfuhr des Segelboots wurde das Boot im Zollgebiet der Union nicht anderweitig genutzt. Bei einer Zollkontrolle wurden gegen den Kläger Einfuhrabgaben (Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer) erhoben. Gegen die Erhebung dieser Abgaben legte der Kläger Rechtsmittel ein und war nach erfolglosem Einspruchsverfahren in erster Instanz vor dem FG erfolgreich. Das FG war der Auffassung, dass jedenfalls durch die spätere Ausfuhr des Bootes sowohl die Zollschuld als auch eine möglicherweise entstandene Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erloschen sei. Das HZA legte hiergegen Revision ein. Der BFH konnte den Sachverhalt jedoch wegen offener europarechtlicher Fragestellungen nicht abschließend entscheiden und entschied sich daher für eine Vorlage an den EuGH.

Entstehung der Zollschuld:

Der BFH stellt zunächst fest, dass die Zollschuld gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden ist, weil der Kläger das Segelboot – eine Nicht-Unionsware – ohne förmliche Gestellung (Art. 139 Abs. 1, Art. 5 Nr. 33 UZK) in das Zollgebiet der Union verbracht hat. Eine Befreiung von den Einfuhrabgaben im Rahmen der vorübergehenden Verwendung – für die der Kläger ggf. eine Willenserklärung durch das Passieren der Zollstelle hätte abgeben können –käme nur gemäß Art. 212 Abs. 3 UZK-DA für in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel in Betracht. Das Segelboot sollte jedoch nicht als Beförderungsmittel verwendet werden, sondern wurde auf einem Bootsanhänger zu Reparaturarbeiten eingeführt. In diesem Punkt besteht für den BFH kein Zweifel und kein Bedürfnis für eine an den EuGH gerichtete Vorlagefrage.

Zweifel an der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer:

Allerdings äußert der BFH Zweifel, ob im Streitfall in entsprechender Anwendung von Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG neben der Zollschuld auch Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist. Grundsätzlich kommt es zwar auch gleichzeitig mit der Entstehung der Zollschuld zur Entstehung von Einfuhrumsatzsteuer. Die Rechtsprechung verlangt jedoch zusätzlich, dass die Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind. Dies sei im Streitfall zweifelhaft, weil das Segelboot nicht aktiv zur Ausführung einer Lieferung von Gegenständen oder einer Dienstleistung (z.B. Personenbeförderung) verwendet wurde, sondern lediglich an dem Segelboot eine steuerpflichtige Leistung ausgeführt wurde und dieses damit passiv geblieben ist.

Zweifel hinsichtlich des späteren Erlöschens der Zollschuld und der Einfuhrumsatzsteuer:

Zuletzt äußert der BFH Zweifel daran, ob die Zollschuld (dies würde dann voraussichtlich auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten, § 21 Abs. 2 UStG) durch die spätere Ausfuhr des Segelbootes nach Durchführung der Arbeiten nicht gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK wieder erloschen ist. Gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK erlischt die Einfuhrzollschuld, wenn den Zollbehörden nachgewiesen wird, dass die Waren „nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind“. Hierbei sei fraglich, ob die Durchführung von Reparatur- bzw. Wartungsarbeiten an dem Segelboot eine Verwendung i.S. von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK ist.

Vorlagefragen des BFH:

Vor diesem Hintergrund setzt der BFH das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus und legt dem EuGH gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Beantwortung vor:

  1. Gelangt ein Beförderungsmittel in den Wirtschaftskreislauf der Union, wenn es in einem Mitgliedstaat nicht als Beförderungsmittel verwendet wird, aber an ihm eine Dienstleistung (hier: Wartungs- und Reparaturarbeiten) erbracht wird?
  2. Ist Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex der Union dahin auszulegen, dass eine Nicht-Unionsware im Sinne dieser Vorschrift verwendet wird, wenn an ihr im Zollgebiet der Union ausschließlich Wartungs- oder Reparaturarbeiten durchgeführt werden und die Nicht-Unionsware anschließend wieder ausgeführt wird?

Einordnung:

Der der Entscheidung zugrundeliegende Geschehensablauf zeigt, dass der Grenzübertritt von der Schweiz nach Deutschland zu unerwarteten zollrechtlichen und einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Komplikationen führen kann. Mit einer zuvor eingeholten Bewilligung eines aktiven Veredelungsverkehrs gemäß Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK hätte die Erhebung von Einfuhrabgaben voraussichtlich – ohne streitiges Rechtsbehelfsverfahren – verhindert werden können. Die Sensibilisierung für zollrechtliche Problemstellungen ist daher von hoher Bedeutung für alle, die Gegenstände über die Unionsgrenze verbringen (wollen). Der Beschluss des BFH wirft dabei spannende Fragestellungen auf, die nun vom EuGH im Vorlageverfahren zu klären sind. Über die weiteren Entwicklungen in dem Verfahren halten wir Sie hier an dieser Stelle auf dem Laufenden.

Soforthilfe Emergency aid Anwalt für Zollrecht